Reise nach Obama

San Francisco war enttäuschend. Mir ist vorgekommen, als gebe es mehr Obdachlose und Crackheads als je zuvor. Daher: Raus aus der Stadt, rein in die Natur. Über die Golden Gate Bridge geht es nordwärts. Am Highway 1, der alten, mäandernden Küstenstraße, Fenster runter und Luft holen. Es riecht nach Pinien und Meer. Die Augen erfreuen sich an der Mischung aus kanarischem Küsten- und toskanischem Hügelland. Jauchzend winke ich schwarz-weißen Kühen am Straßenrand, rette mit einem Ausweichmanöver das Leben eines jungen Rehs und scheuche – im Rahmen einer Rast – Möwen am Strand von Bodega, dem Schauplatz von Alfred Hitchcocks „Die Vögel“. Doch genug der Romantik!

Hauptgrund für die Fahrt hierher ist ein politischer Zwist: Vergangene Woche nämlich hat Kelly Emery ihren Wohnort OLEMA in OBAMA „umbenannt“. Die überzeugte Demokratin und Gastwirtin bastelte ein originalgetreues Ortschild aus Metall mit dem Namen ihres Wunschkandidaten und befestigte es an einem Pfosten am Sir Francis Drake Boulevard. „Als künstlerische Expression“, wie die 48-Jährige erklärte.

Die Aktion löste in dem 55-Einwohner Dorf ein kleines politisches Erdbeben aus. Nachbarn fühlten sich belästigt. Wie Emery im Lokalfernsehen erklärte, habe sie erboste Drohanrufe von McCain-Anhängern erhalten. Zum Zentrum des Widerstands wurde das Bear Valley Inn – hundert Meter von Emerys Grundstück entfernt. „Es hat meinem Boss nicht gepasst“, sagt mir dort der Kellner, „er ist Republikaner und hat sich beim Bürgermeister beschwert.“ Das politische Klima in Olema – erklärt mir der Mann – sei explosiv. Man könnte meinen, alle hier seien liberal. „Das ist falsch. Gerade die Geschäftsleute sind Republikaner, und sie wählen eher McCain.“ Inzwischen hat Emery das Schild abgenommen. Ein Regierungsbeamter hatte der Frau die Demontage des Verkehrszeichens beschieden.

Die örtliche Postbeamtin kommentiert die Sache lakonisch: „Hier tut sich nicht viel. Man ist froh, wenn irgendwas passiert, damit man sich aufregen kann.“

One thought on “Reise nach Obama

  1. „Hier tut sich nicht viel. Man ist froh, wenn irgendwas passiert, damit man sich aufregen kann.“ also ganz wie in wien….

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