Der Sparefroh als Galionsfigur

Was den pensionierten ORF-Wirtschaftsredakteur Walter Sonnleitner dem BZÖ in die Arme trieb

Der Mann legt Wert auf Details. Im Juni 2008 zum Beispiel, als er Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser im „ZiB2“-Interview weniger zu dessen zweifelhaftem Engagement bei der Energiefirma Meinl International Power befragte, sondern mehr zu dessen neuem Haarschnitt. So kitzelte er aus Grasser heraus, dass dieser schon als Jugendlicher die Haare lang getragen hatte, sie dann aber schneiden ließ, „weil die Kunden im Autohaus geglaubt haben, ich wäre eine Frau“.

Eher denn als listenreichen Interviewer lernten die Fernsehzuschauer Walter Sonnleitner allerdings als onkelhaften Auguren kennen, der von Anlageformen bis hin zum Zusammenbruch der Lehman-Brothers-Investmentbank alles Ökonomische zu deuten verstand.

Vergangene Woche schlüpfte der 63-Jährige dann in eine völlig neue Rolle: in die des BZÖ-Spitzenkandidaten für die Wiener Gemeinderatswahl im Herbst. Warum sich der 2009 pensionierte ORF-Redakteur für seine politische Karriere ausgerechnet die von Jörg Haider gegründete FPÖ-Splittergruppe aussuchte, ist allerdings nicht nur für Sonnleitners ehemalige Kollegen ein Rätsel.

Erreichte doch das BZÖ beim letzten Antreten in Wien gerade einmal 1,15 Prozent der Stimmen – fünf Prozent wären notwendig gewesen, um in den Gemeinderat einzuziehen. Für die Wahlen ist die Partei schlecht aufgestellt: kein Geld, dafür Grabenkämpfe zwischen dem wirtschaftsliberalen Flügel rund um den Parteivorsitzenden Josef Bucher und obskuren politischen Lemuren wie dem steirischen BZÖ-Chef Gerald Grosz, der erst im Juni im weißen Sakko des verblichenen freiheitlichen Politmessias „Jörg-Haider-Orden“ verteilte und sich auf Wahlplakaten mit dem Spruch „Die Heimat ruft!“ präsentiert.

Spricht man ihn auf seine neuen Parteifreunde an, weicht Sonnleitner aus. Er kenne bisher nur Bucher und Herbert Scheibner, den stellvertretenden BZÖ-Klubobmann, persönlich. „Ich glaube Josef Bucher einfach, dass er in eine neue, andere Richtung gehen will“, betont Sonnleitner, „er hat mir versprochen, dass ich mich einbringen kann und dass er sich von alten Kräften in der Partei befreit hat.“

„Sonni“, wie ihn seine Kollegen im ORF nannten, sitzt im fünften Stock eines Hauses vis-à-vis vom Justizpalast: im Seminarraum der BZÖ-Zukunftsakademie. Sein ganzes Leben, erzählt Sonnleitner, der im obersteirischen Sinnersdorf aufwuchs, sei er ein Querdenker gewesen, der sich niemals einer Partei zugehörig gefühlt hatte: „Als Ministrant wollten sie mich nicht, weil mein Vater ein roter Gemeinderat war. An der Handelsakademie in Oberwart waren sie misstrauisch, weil ich ein steirischer Bauernbub war. Genauso beim Cartellverband, wo ich einem Zirkel junger Liberaler für Bruno Kreisky angehört habe.“ Der – laut Eigendefinition – „bürgerlich-grüne Liberale“ landet 1973 als Redakteur beim ORF-Radio. 1979 wechselt er zum Fernsehen, wo er 30 Jahre „Zeit im Bild“, „Schilling“, „Euro Austria“ oder „Börsenreport“ mitgestaltete.

Seine Kollegen beschreiben ihn als fleißigen Arbeiter, als Pedanten, als Eigenbrötler, als Machtmenschen und als einen, der sich gern als des Volkes Stimme verstand. Ein Kollege sah in ihm den klassischen CV-ler, ein anderer ein „politisches Springinkerl“. Obwohl aus einfachen Verhältnissen stammend, erinnert sich eine ehemalige Mitarbeiterin, sei daraus keine Solidarität mit Ärmeren und Schwächeren erwachsen: „Er hat sich mit den Aufsteigern identifiziert und mit den Reichen.“

Während seine berufliche Laufbahn kontinuierlich verläuft, wird der Journalist im Privatleben von Schicksalsschlägen schwer getroffen. Seine erste Frau stirbt an Krebs, die zweite Jahre später ebenfalls. Sonnleitner, lange selber schwer krank, zieht alleine vier Kinder groß. „Wir haben damals genaue Haushaltsbudgetpläne erstellt“, erinnert er sich, „weil das Geld knapp war, haben wir es genau eingeteilt in einen Topf für Nahrung, einen für Kultur und für Freizeit. Die Kinder mussten mit ihrem Geld sorgfältig haushalten.“ Diesem ökonomischen Prinzip fühle er sich auch in der Politik verpflichtet.

Neben dem Sparen ist Sonnleitner vor allem der „Mittelstand“ ein Anliegen: jene Österreicher, die – wie er sagt – „mehr in staatliche Töpfe einzahlen, als sie daraus nehmen“. Im Frühling gründete er die sogenannte Mittelstandsvereinigung, wo sich vornehmlich BZÖ-nahe Unternehmer – unter ihnen Prinz Alfred von Liechtenstein, der Banker Matthäus von Thun-Hohenstein sowie Robert Glock und Veit Schalle – sammeln.

„Es gibt in Wien viele Menschen mit Privilegien“, sagt Sonnleitner, der mit 150.000 Euro Abfertigung aus dem ORF schied: Sowohl bei Unternehmern, die „zu flott gefördert werden“, als auch bei Magistratsbeamten seien Einsparungen möglich. „Wir wissen alle: Im Herbst wird uns die Regierung ein Sparpaket hinknallen, dass uns die Luft wegbleibt.“ Die Menschen – meint er – würden wie Martinigänse gehegt und gefüttert, „aber keiner sagt ihnen, was auf sie zukommt“.

Auch auf Sonnleitner könnte einiges zukommen. Hätte zum Beispiel wieder einmal einer seiner orangen Kollegen eine Eingebung – wie etwa der Kärntner Bundesrat Siegfried Kampl, der kurz nach seinem Wechsel von der FPÖ zum BZÖ Wehrmachts-Deserteure als „Kameradenmörder“ und die Entnazifizierung als „brutale Nazi-Verfolgung“ bezeichnete –, färbte dies wohl auf den bisher guten Ruf des ehemaligen Journalisten ab.

Selbst wenn man den Großteil der Kärntner Orangen inzwischen wieder an die Bundes-FPÖ loswurde, bleibt doch die Erblast von Haiders Buberl-Partie, deren kurzes Wirken an der Macht bis heute die Justiz beschäftigt. Ausländerfeindliche Ressentiments schließlich bedient selbst BZÖ-Chef Bucher gerne, der zuletzt einen „Ausländercheck“ forderte.

Aber vielleicht sind dies nur Details, auf die Sonnleitner weniger Wert legt. „Ich sehe schon das Risiko, mich zu beschädigen“, sagt er, „mit dieser Herausforderung kann ich aber leben.“

“Falter” Nr. 27/10 vom 07.07.2010 Seite: 13 Ressort: Politik

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