Stresstest Tirol: Vorsicht vor der Schuldenfalle

Zwiespältig ist die Bilanz Tirols im Stresstest: Das Bruttoregionalprodukt ist das zweithöchste in Österreich, die Arbeitslosenquote niedriger als anderswo. Allerdings hält das Land bei den Löhnen die rote Laterne. Und 2011 rutscht Tirol tiefer in die roten Zahlen als je zuvor.

Als der Tiroler Landesrechnungshof im Vorjahr den Haflingerzuchtverband unter die Lupe nahm, fand er allerhand Mist im Stall: Trotz Sonderförderungen in Höhe von mehreren 100. 000 €schrieb der Verband rote Zahlen. Die Prüfer bekritteln zweifelhafte personelle Verflechtungen: so schanzte sich der Geschäftsführer als Angestellter der Landwirtschaftskammer quasi selbst die Förderung zu, befreundete Politiker drückten beide Augen zu.

Die Prüfung des Zuchtverbandes mag Licht auf fragwürdige Praktiken werfen, wie sie auch in Tirol bisweilen vorkommen. Insgesamt schneidet das westliche Bundesland bei Überprüfungen durch staatliche Kontrollorgane allerdings relativ gut ab. Zumindest bis vor Kurzem: Im Ländervergleich über die Gebarung der öffentlichen Hand etwa, den der Rechnungshof für 2008 und 2009 anstellte, zählten die Tiroler zu den Klassenbesten. Während sich nämlich der Schuldenstand der Länder zwischen 2004 und 2010 von 6, 8 auf 10, 5 Milliarden € erhöhte und dabei in Niederösterreich und Kärnten die Finanzen zunehmend aus dem Ruder liefen, bilanzierten die Tiroler ausgeglichen. Deutlich tiefer in die roten Zahlen wird man allerdings mit dem Budget 2011 rutschen, wenn die Schulden im außerordentlichen Haushalt von 285 Millionen € auf 429 Millionen €anwachsen.

Dass Tirol relativ glimpflich durchs Krisenjahr 2009 gekommen ist, liegt nicht unwesentlich am Tourismus, der mit zwölf Prozent direktem Anteil an der Wirtschaft stabilisierend wirkt. Entfiel auf das Land im Sommer 2009 mit 17, 54 Millionen Gästenächtigungen rund ein Drittel aller Touristen, verzeichnete man im Winter 2008/09 sogar 25, 55 Millionen Nächtigungen: 40, 6 Prozent aller Nächtigungen in Österreich.

Die Orientierung auf Tourismus hat jedoch auch negative Auswirkungen. Während in Tirol das Bruttoregionalprodukt je Einwohner mit 34. 200 € deutlich höher als im österreichischen Durchschnitt liegt, sind die Durchschnittslöhne mit 22. 539 € (Brutto-Jahres einkommen) am niedrigsten -eine Folge des elenden Gehaltsniveaus in der Tourismus branche, wo rund 13 Prozent der unselbstständig Beschäftigten arbeiten. Verlierer sind laut Einkommensbericht des Rechnungshofs vor allem die Frauen: Sie verdienen in Tirol nur 60 Prozent eines mittleren Männereinkommens.

“Wir hatten nie eine große verstaatlichte Industrie wie die Steiermark oder Oberösterreich”, erklärt Stefan Garbislander von der Tiroler Wirtschaftskammer, “stattdessen haben wir uns mit Unternehmen wie Plansee oder Swarowski in Nischenbereichen etabliert.”

Seit den 1990ern versuche man außerdem, Tirol als Wissenschaftsstandort attraktiv zu machen und Pharma- oder Medizintechnikunternehmen ins Land zu holen. Was die Ausgaben für Entwicklung und Forschung angeht, treten die Tiroler allerdings immer noch eher knausrig auf: Mit einer Forschungsquote von 2, 4 Prozent des Bruttoregionalprodukts liegt Tirol knapp unter dem österreichischen Schnitt.

Mehr Geld als in die Forschung fließt in die Agrarförderung, deren Praxis Autor Hans Weiss in seinem “Schwarzbuch Landwirtschaft” scharf kritisierte. Wie aus der Transparenzdatenbank ersichtlich war, gingen 80 Prozent aus den EU-Fördertöpfen nicht an Bergbauern, sondern an große Lebensmittelkonzerne, Privatstiftungen und Großbauern.

Die Verteilung der Fördermittel ist momentan allerdings nicht öffentlich. Wurde doch die Transparenzdatenbank nach einem Entscheid des Europäischen Gerichtshofs im November 2010 gesperrt.

Aus der Serie “Stresstest Bundesland” für das Wirtschaftsblatt

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