Unlängst fand ich einen Zettel an meiner Tür. Darin wurde ich informiert, dass die Sendung aus London – ich hatte bei einem Sportartikelproduzenten eine Fahrradhose gekauft – infolge meiner Abwesenheit nicht hatte zugestellt werden können. Das Kleidungsstück, hieß es in der Notiz, sei am nächstgelegenen FedEx-Standort abzuholen: In der Rauscherstraße – gute 20 Minuten zu Fuß von meiner Wohnung entfernt.
Mein erster Impuls war: Ärger. Befindet sich doch schräg vis-a-vis meiner Wohnung eine Postfiliale. Hätten mir die Briten mein Packerl auf konventionellem Weg geschickt, murrte ich, befände ich mich schon längst wieder daheim Hose probieren. Der folgende Spaziergang entschädigte mich jedoch für den Komfortverlust. Hatte ich doch Gelegenheit, über den Wandel der Welt nachzudenken. Und wie oft hat man das schon.
In diesen ereignisreichen Tagen erleben wir ja das Internet vor allem als Brandbeschleuniger revolutionärer Kräfte. Darüber vergessen wir allerdings leicht die primäre Auswirkung des Netzes: Die Beschleunigung von Konsum. Mussten wir kauffaule Menschen uns früher durch die Einkaufsstraßen quälen, ordern wir jetzt lümmelnd auf der Couch: Ein komplettes Sommer-Outfit bestellen, ist heute weniger aufwändig als die Bereitung einer Tasse Löskaffee. Allerdings: Man spart sich zwar den Gang durch die Geschäfte, nur spaziert man später durch den halben Bezirk, um das Packerl irgendwo abzuholen.
Irgendwo bedeutete in meinem Fall einen Handy-Shop. Zwischen Vitrinen mit Mobiltelefonen und Freisprecheinrichtungen, zwischen Regalen mit gebrauchten Monitoren und Koffern, lagern die Pakete. Als ich das Geschäft betrat, nickte der Geschäftsmann in Richtung seiner verschleierten Frau, die meinen FedEx-Zettel entgegennahm. “Jetzt müsste ich bitte noch ihren Ausweis sehen”, sagte sie, notierte Führerscheinnummer und meinen Namen, ließ mich unterschreiben und händigte mir die Hose aus.
Schlecht funktioniert hat das eigentlich nicht. Ich musste mich nicht anstellen, keiner drängte sich vor, das Service erfolgte prompt und – wie mir schien – äußerst gewissenhaft. Das ist sie also, die die neue Post, dachte ich.
Warum eigentlich nicht? Wer sagt, dass Einwanderer nur Toiletten reinigen dürfen und rund um die Uhr beim Bäcker Gül arbeiten? Jetzt übernehmen sie ebene Aufgaben, die einst pragmatisierte Postbeamte besorgten. Nur dass globalisierte Transportunternehmen ihren neuen Mitarbeitern Dumpingpreise bezahlen, für die ein arrivierter Postler nicht ein Mal eine Briefmarke abgeleckt hätte.
Vielleicht muss man die Sache aber auch als gelebte Integration betrachten. Kommen doch im kleinen Handyshop Menschen alle Kulturen und Glaubensrichtungen zusammen, solange sie ihre Hosen im Internet kaufen jedenfalls. In diesem Sinn soll mir die neue Post nur recht sein.
Übrigens: Die Hose passte nicht. Ich musste sie zurückschicken.
Glosse für Extra, die Wochenendbeilage der Wiener Zeitung