Hinter dem Roten Vorhang

Es ist Markttag in Arcata, und die kleine Küstenstadt im Norden Kaliforniens ist noch spezieller als sonst. Auf dem Plaza tummeln sich Gestalten mit langen Haaren, verwucherten Bärten und gebatikten Kleidern. Eine Clown-Yogatruppe stellt sich vor. Obdachlose rauchen Gras und betteln im Liegen. Hippiehändler verkaufen Traumfänger, selbst gebastelte Taschen und vegane Hotdogs.

Neben dem Springbrunnen hockt ein junger Mann, der sich Phoenix nennt. Ärmellose Weste, Grizzlykrallen-Kette auf der blanken Brust. Ein Mädel flicht Zöpfchen in sein krauses Haar, während er Trommel spielt. Phoenix ist aus Tel Aviv. Seit zwei Monaten lebt er in Arcata. „Das ist der beste Platz der Welt. Alles geht zurück zur Natur. Die Leute bauen ihr eigens Gemüse an. Sie fahren Rad.“ Tatsächlich ist die 17.000 Einwohner-Stadt im Herzen des Humboldt County eine Oase des Öko-Bewusstseins. Im Supermarkt prangen auf den Produkten „organic“ oder „Fair-Trade“-Zeichen. Die Einkaufssäcke sind aus Papier. „Wir leben hinter dem Red Wood-Forrest Vorhang“, erklärt mir Carlotta Masterson von der League of Women Voters, die darum wirbt, Wähler zu registrieren: „Alles ist bei uns ein bisschen anders.“

An einem der Stände treffe ich Dana Silvernale, eine Grüne Lokalpolitikerin. Nirgendwo in den USA ist die Zahl der Grünwähler höher: „Leider hört man in den Nachrichten nie von unserer Spitzenkandidatin Cynthia McKinney. Die kooperierten Kandidaten haben die Medien total unter Kontrolle.“

Viele blieben gern länger in Arcata. Manche treibt der Idealismus fort. So wie Phoenix: „Ich muss nach Alaska zu den Inuit. Dort oben schmilzt alles. Die brauchen wen, der ihnen erklärt, wie sie wegkommen. Sie können ja nicht einfach Auto stoppen.“ Andere fliehen vor den hohen Mietpreisen. „Ich kann mir das Leben in Arcata nicht leisten“, sagt Hannah von Democracy Unlimited und lacht: „So viele reiche Leute aus San Francisco sind hierher gezogen. Viele Hippies hier sind eigentlich Yuppies.“