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Schießgewehre u.s.w.
Schnäppchenjagd
Um 10 Uhr Vormittags bricht der Bus nach Henderson, einen Vorort von Las Vegas, auf. Acht Einfamilienhäuser stehen auf der Liste. Es sind rosa Bauten, ebenerdig oder einstöckig, mit großen Garagen und weichen Spannteppichen, die man hier zum Schnäppchenpreis erstehen kann. Nicht immer sind die Liegenschaften in bestem Zustand. Die Vorbesitzer gingen nämlich nicht freiwillig. Als sie ihre Kreditraten nicht zahlen konnten, wurden sie von der Bank delogiert.
Das Immobilienunternehmen Re/Max hat die Gunst der Stunde erkannt und veranstaltet drei Mal wöchentlich die zweieinhalbstündigen Touren. Ziel: Neue Käufer für zu versteigernde Liegenschaften finden. „Wir erwarten nicht, dass Sie sich sofort entscheiden“, sagt Makler Bret Jenkins: „Wir hoffen, dass Sie Vertrauen zu uns fassen, um Ihr neues Haus mit uns zu kaufen.“ Kein Platz wäre für eine solche Tour besser geeignet als Las Vegas. Die Glückspielmetropole gilt als Zwangsversteigerungs-Hauptstadt der USA. Nirgends verloren mehr Menschen ihr Eigenheim als hier, wo die Immobilienpreise in den letzten zehn Jahren raketengleich in die Höhe schossen, um dann ins Bodenlose zu stürzen. Das Platzen der Immobilienblase löste schließlich die heutige Finanzkrise aus, die den Ausgang der Wahlen maßgeblich beeinflussen könnte.
14 Menschen sind im Bus. Die meisten erklären, sie seien auf der Suche nach einem neuen Haus. Vier Japaner hoffen auf einen Zweitwohnsitz. Drei andere sagen, sie seien Investoren. Die Objekte kosten zwischen 170.000 und 250.000 Dollar – vor der Krise waren sie ein Vielfaches wert. „Du kannst Dir heute ein Haus zum selben Preis wie vor zehn Jahren kaufen“, sagt Makler Dale Rowse, „es gibt keinen besseren Zeitpunkt.“ Dass die Finanzkrise ihre Geschäfte stören könnte, glaubt Rowse nicht. „Wir haben kein Problem Kredite aufzustellen“, sagt er, „die Kriterien sind ein bisschen strenger als früher. Aber das geht schon. Am besten, ich mache für Dich gleich einen Termin mit unserem Finanzberater aus.“
Phoenix and Ice
Tabuthemen

Im Theater des Silver Legacy Casino in Reno, Nevada, sitze ich mit den Komödianten Alex Valdez und Bob Kubota. Valdez (Jg. 1955) steht seit 31 Jahren auf der Bühne. Er ist gebürtiger Mexikaner und blind. Kubota (Jg. 1964) ist Kind japanischer Einwanderer. Gerade habe ich mich an der Show der beiden erfreut. Im Vergleich zu Kabaretts in Österreich, hat eines jedoch gefehlt: Politische Anspielungen. Das, obwohl Amerika gerade in einer massiven Finanzkrise steckt und elektrisiert ist von der Präsidentenwahl.
„In unseren Shows geht es nie um Politik oder Religion“, erklären beide, „eine Hälfte des Publikums würde lachen, die andere wäre tödlich beleidigt.“ Valdez ist registrierter Republikaner. „Ich war sehr zufrieden, wie Bush 9/11 gemeistert hat. Aber die zweite Amtsperiode hat mich enttäuscht.“ Es ärgere ihn allerdings, wenn die Leute Bush als Idioten hinstellten: „Kein Trottel wird Präsident.“ Warum die Europäer von Obama so begeistert sind, versteht er nicht: „Ich habe gehört, die meisten Deutschen sind ins Stadium gekommen, weil es Gratisbier und Rockbands im Vorprogramm gab. Viele haben Obama angeblich gar nicht verstanden, weil sie kein Englisch konnten.“
Kubota – er wird ab November zum wiederholten Mal vor US-Truppen im Irak auftreten – ist konträrer Ansicht: „Ich will keinen Präsidenten, der sich nicht artikulieren kann. Der nicht neugierig ist und nicht lernen will.“ Sich in seinen Shows politisch zu artikulieren, ist auch für Obama-Befürworter Kubota undenkbar. „Standup-Comedy soll nicht als politische Plattform missbraucht werden.“ Das Publikum interessiere sich für seinen Standpunkt auch nicht: „Als Japanischstämmiger bin ich vielen ein Ausländer. Rassismus ist allgegenwärtig.“
Beide meinen, dass ein gesellschaftsändernder Anspruch bestenfalls darin bestehe, Minderheiten sichtbar zu machen: „Wir zeigen den Leuten, dass wir uns wohl fühlen in unserer Haut. Nach der Show, haben manche vielleicht ein bisschen weniger Berührungsangst vor Blinden oder Asiaten.“
The Boart
My Day with the Democrats
Bierdosengrillhuhn
Es muss keine Enthauptung sein – wie im Juli in Kanada – damit eine Busreise im Greyhound zum Abenteuer wird. Die unblutigen Besonderheiten sind Abenteuer genug.
„Ihr seid mit dem Greyhound unterwegs?!“ fragte eine politische Beraterin aus Chicago entsetzt, als ich ihr von den Busfahrten erzählte, „das tut mir wirklich leid für dich. Das ist doch so unbequem und man trifft nur Ungustln!“ Wohl wahr, es lässt sich komfortabler reisen, und die Chancen, neben John Cusack zu landen, sind geringer als in den schicken Bars von Chicago. Dafür birgt jede Fahrt eine Überraschung. Und die Erkenntnis, dass selbst die Unterprivilegierten politisch oft weit besser informiert sind als Amerikaklischees vermuten ließen. Den Wahlkampf zu diskutieren, ist spannend, aber noch spannender sind die persönlichen Geschichten der Reisenden.
So wie die von Mike G. zum Beispiel, den ich im Bus von Omaha nach Denver kennen lernte. Der ehemalige Navy-Schiffskoch war auf dem Weg nach Hollywood, um dort als Sprecher durchzustarten. Das erschien dem 37-Jährigen nämlich mehrversprechend als in Detroit einen Job zu suchen. Ich hatte mich anfangs nur ungern neben ihn gesetzt. Wegen seiner bankfüllenden Statur eines Linienblockers im American Football und wegen der vielen Tätowierung: Am Hals trug er das Markenlogo seines Lieblingsmüslis. Doch als er irgendwann die Kopfhörer abnahm – er hörte Cat Stevens – kamen wir ins Gespräch. Eine dreijährige Haftstrafe wegen eines Drogendelikts hatte es nicht vermocht, ihn davon abzuhalten, in seinen Socken kleine Säckchen mit Marihuana mitzuführen. Aus Höflichkeit rauchte ich während einer Rast ein paar Züge mit (selbstverständlich ohne zu inhalieren), woraufhin er mir sein Lieblingsrezept verriet: Grillhendl in einer Bierdose. (Rezept in Kürze auf www.derbernold.com).
„Es läuft momentan nicht alles rosig in diesem Land“, sagte Mike, „aber es ist ein gutes Land. Nirgendwo ist es so leicht, seine Träume zu verwirklichen.“
Glosse in der Wiener Zeitung:
bierdose