Dann kam Gustav

Amnesty International installed a replica of a Guantanamo cell in front of the Excel Center in St. Paul.
Amnesty International installed a replica of a Guantanamo cell in front of the Excel Center in St. Paul.

Amerikanischer Wahlkampf ist wie Schach. Nur, dass mitunter höher Gewalt mit im Spiel ist. Eine Maschinerie hinter den Kulissen plant, reagiert und versucht, die Initiative zu behalten. (Wie ein moderner Wahlkampf abgewickelt wird, zeigt eindrucksvoll die Dokumentation „War Room” von D.A. Pennebaker and Chris Hegedus über Bill Clintons Kampagne 1992.) Die Ereignisse der letzten Tage zeigen die Bedeutung, dem Gegner einen Schritt voraus zu sein: Kaum hatten die Demokraten in fulminanter Show Barack Obama gekürt, zauberten die Republikaner als Vize die Gouverneurin von Alaska, Sarah Palin, hevor. (Ein Regierungsbeamter aus Minnesota versicherte mir, dass bis Donnerstag noch Minnesotas Gouverneur Tim Pawlenty feststand und McCain die Entscheidung in letzter Minute umstieß.) Palin – fünffache Mutter, Schönheitskönigin und Abtreibungsgegnerin – überlagerte prompt Obamas Auftritt. Allerdings nur für einen Tag. Dann kam Gustav.

Am Sonntag hatte die Polizei in den Twin Citys St. Paul und Minneapolis die Vorarbeiten für den Konvent abgeschlossen und Teile des Stadtgebiets unpassierbar gemacht. Amnesty International stellte den Nachbau einer Guantanamo-Zelle vors Konferenzzentrum. Pazifisten, Ron Paul-Fans und Veteranengroßmütter demonstrierten. Das mediale Auge blickte allerdings nicht mehr wirklich hin.

Der Sturm Gustav dominiert die Berichterstattung. Drei Jahre zuvor hatte Katrina drei Viertel von New Orleans unter Wasser gesetzt und 1.800 Menschen zu Tode gebracht. Ein Schandfleck der Bush-Regierung, die verspätet auf das Unglück reagierte. Um sich abzugrenzen, reduzierte McCain den Konvent auf ein Minimalprogramm und erklärte, nicht die Fehler von damals wiederholen zu wollen. Ihm dürfte der Sturm alles andere als ungelegen kommen. Nicht nur konnte sich der Republikaner elegant der Auftritte des immer unbeliebter werdenden amtierenden Führungsduos entledigen – Bush und Cheney sagten ihre Reden vorerst ab. Er ist auch wieder einen Zug voraus.

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