New York. Sonntag, 10 Uhr, St. Patrick’s Cathedral, Fünfte Avenue, Manhattan. Vor dem Haupteingang: eine Traube Touristen. Also ums Eck in die 50. Straße. An der Seite steht die Türe einen Spalt breit offen. Ein Sicherheitsmann mit Kabel am Ohr winkt mich herein, wirft einen Blick in meinen Rucksack. “Es ist o.k”, sagt er, “in einer Viertelstunde beginnt die Messe”. Drinnen ist es still. Hin und wieder klickt ein Fotoapparat. Die Reihen im Mittelschiff sind dicht besetzt. Geschätzte 1500 Gläubige werden es sein. Und immer mehr strömen herein. Auf der Suche nach einem Sitzplatz laufen sie über den hellen Marmorboden.
Am Samstag wird der Papst über denselben Stein schreiten. Seine Gegenwart ist jetzt schon spürbar.
“Willkommen in St. Patrick’s”, sagt Erzbischof Kardinal Edward Egan nachdem der letzten Ton des Orgel-Präludiums verklungen ist. Egan ist der Hausherr hier. Seine Kirche in der 5. Avenue in Midtown vis-à-vis vom Rockefeller Center dient der Erzdiözese New York als Sitz. Das Bauwerk im neo-gotischen Stil wurde vergangene Woche 200 Jahre alt. Ein Anlass zum Feiern. “Und jetzt nähern wir uns schon wieder einem Ereignis historischer Bedeutung”, ruft der Kardinal von der Kanzel in sein Ansteck-Mikrophon und weiter in die Menge: “Der Heilige Vater wird uns nächste Woche besuchen. Wir hoffen auf seinen Segen. Wir beten, dass der Himmel klar sein möge und uns kein Tropfen Regen stört.”
Der New Yorker Erzbischof, der seine sonntägliche Predigt ganz auf den Besuch Benedikts XVI. zugeschnitten hat, wartet sehnlich auf seinen obersten Hirten. Von der Visite des deutschen Papstes – es ist seine erste in den USA – erhoffen sich viele konservative Katholiken Zuspruch und eine neue Orientierung. Die Herde westlich des Atlantik ist nämlich in Aufruhr: Priestermangel, finanzielle Kalamitäten, aufgelassene Kirchen. Und schwer über allem hängt – penetrant wie eine Wolke Weihrauch im Gewölbe – ein hochpeinlicher Missbrauchsskandal.
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