
Von Philadelphia fuhren wir nach Pittsburgh, wo wir kurz Halt machten, und weiter nach Steubenville. Die 19.000-Einwohner-Stadt liegt im Dreiländereck zwischen Pennsylvania, Ohio und West Virginia – berühmt ist sie für ihre Stahlindustrie (oder was davon übrig blieb). Bevor mir jedoch der erste Arbeiter begegnete, traf ich Gott.
Neben dem Motel befindet sich nämlich der malerisch auf einer bewaldeten Anhöhe gelegene Kampus der Franciscan University, die enge Beziehungen nach Österreich unterhält. Jedes Jahr gehen 150 Studenten in die Kartause Gaming, um ein Semester lang das Klosterleben kennen zu lernen. „Das spezielle hier“, erklärt Jonathan Bratten, der gerade sein Studium abgeschlossen hat und jetzt bei der Nationalgarde dient, „ist die Verwebung von Wissen und Glauben“. Von den 2.400 Studenten belegt ein Drittel Theologie oder Katechismus, der Rest lernt weltliche Fächer, darunter Krankenpflege, Wirtschaft und Biologie. Zumindest zwei Wochenstunden Religion sind Pflicht. Außerdem sind die Lernenden in Betgruppen organisiert. „Wir beten jeden Tag miteinander“, erzählt mir Kate Hermann, „das gibt uns Halt“. Drei Mal täglich wird die Messe gelesen. „Die Kapelle ist immer voll“, sagt Pater Richard Davis stolz.
Spirituell liegt die 1946 gegründete Institution auf Papstlinie oder rechts davon. Abtreibung wird abgelehnt – Stammzellenforschung, Euthanasie oder Sex vor der Ehe ebenso. „Alkohol ist in Maßen erlaubt“, erklärt Studentin Emmy Schweitzer: „Wir müssen auch nicht betrunken sein, um Spaß zu haben.“ Trotz der Missbrauchsaffären in der katholischen Kirche kommen Studenten von überall aus den USA. „Die Eltern schätzen, dass wir in jeder Klasse ein Kruzifix haben“, weiß Sprecher Tom Sofio.

Wird in Steubenville auch Evolution unterrichtet? „Ja, wir lernen darüber“, sagt Bratten, „aber für uns ist nicht wichtig, ob der Mensch vom Affen abstammt. Entscheidend ist, dass es Gott ist, der allen Lebewesen eine Seele einhaucht.“