
Montag Mitternacht endete in Texas die Frist für die Wählerregistrierung. Davor legte sich Priester Michael Seifert noch einmal richtig ins Zeug und rief seine mexikanischstämmige Gemeinde zu den Urnen. Am Kirtag vor der San Felipe de Jesus Kirche in Cameron, einem Stadtteil der texanischen Grenzstadt Brownsville, redet er den Gläubigen ins Gewissen. Für den katholischen Geistlichen ist Wählen nämlich mehr als nur Mitbestimmen.
Für ihn ist es ein Deal, der handfeste Vorteile bringt. „Früher sind die Leute zum Bürgermeister betteln und zetern gegangen. Die Antwort war meistens: Nein. Die Politiker haben erklärt, ihr habt 1.500 Leute in Cameron und keiner geht wählen. Warum sollten wir dort etwas machen?“
Unfruchtbares Land, kein Wasser, kein Kanal, keine Feuerwehr, keine Polizei, die Post blieb in einem Haufen am Rand der Siedlung liegen. Cameron war lange eine Favela. „Uns war klar“, sagt Seifert, „wir können nur etwas ändern, wenn wir unsere Kraft als Wähler einsetzen.“ Die Kichre startete eine Kampagne. Von 1.500 Berechtigten wählten im Jahr 1996 nur 156. Im Jahr 2000 beteiligten sich bereits 1.000 Leute, und 2004 waren es 1.100. Eine Wahlbeteiligung von mehr als zwei Drittel. (In den USA liegt sie gesamt bei 55 Prozent.) Und die Politik reagierte: Im Lauf der letzen fünfzehn Jahre kamen Wasser, Strom und ein Kanalsystem. Nur die Straßenbeleuchtung fehlt noch.
Seifert ist Demokrat, aber er will in Predigten keine Wahlempfehlung geben. Auch wenn er glaubt, dass die Demokraten „näher am Willen Gottes“ sind. „Wir vertreten christlich-soziale Werte: Nächstenliebe, Teilen und Verantwortung füreinander. Dass religiöse Menschen in Cameron John McCain bevorzugen könnten, glaubt der Priester nicht. „Die Anti-Abtreibungs-Rethorik zieht bei uns nicht. Es treibt ohnehin niemand ab. Die Mexikaner lieben Kinder. Auch Stammzellenforschung ist uninteressant. Warum sollten sich die Leute um Forschung kümmern, wenn es ihnen selbst an elementarer medizinischer Versorgung fehlt?“