
Zwei große Geschichten lassen sich von New Orleans erzählen. Eine über Folklore und Partys, über Savoir Vivre und leichte Mädchen, über Touristengruppen, die sich durchs French Quarter trinken und Big Bands auf den Straßen. Und eine zweite über das Versagen einer Regierung, über Armut und Verwahrlosung, über schlechte Zähnen und Obdachlosigkeit, über zerstörte Häuser und einen Hundekadaver, der halbverwest in Rinnsaal liegt.
Und dann gibt es noch eine andere Geschichte. Eine vom Nicht-Aufgeben, vom Hoffen und von einem Mann, der zwischen Ruinen eine Kirche errichtet.
Ich begegnete Dodiyi Williams, als ich zwei Stunden durch die Gassen des 9th Ward geirrt war. Der 73-jährige Prediger hämmerte Nägel in ein Holzfundament. Jeden einzelnen Balken hatte zuvor mit einem kleinen Glaubensbekenntnis versehen. Williams, der einen gelben Bauarbeiterhelm trägt, kam einen Monat, nachdem Hurrikane Katrina und die Hochwasser des Mississippi sein Gotteshaus dem Erdboden gleich gemacht hatten, wieder in die Stadt zurück. Seit September 2005 lebt er in einem Lkw-Anhänger, der ihm als Werkstatt, Schlafplatz und Kapelle dient. Wir balancieren durch ein Wirrwarr aus Holzlatten, Werkzeugen, Farbdosen und Papier. Vorbei an einer schmalen Pritsche und an zwei Kübeln, die ihm als Waschgelegenheit dienen. Bis ganz nach hinten gehen wir, wo gezeichnete Portraits an der Wand hängen, die er als Portraits der zwölf Apostel bezeichnet. Darunter befindet sich ein Nachtkästchen, das er in einen Altar umfunktioniert hat. Mit zwei Kerzen und einer Bibel darauf. „Eine Kirche muss nicht prunkvoll sein”, sagt er. „Weil Gott ist, wo Gläubige mit ihm feiern”. Seine Gemeinde hat auf den sieben Stühlen im Anhänger Platz. Samstag und Sonntag hält er die Messe und einmal in der Woche Bibelstunde. „Mit Gottes Hilfe bin ich im Februar fertig”, ist er zuversichtlich.
Dann zeigt er mir ein Notizbuch mit seinen Gedichten. „Vielleicht kannst Du eines auf Deiner Homepage veröffentlichen. Das würde mich freuen.”