Drei Blocks vom schillernden Stadtzentrum Renos mit den Kasinohotels, den Schnellhochzeitsläden und den Pfandleihern, stehen auf einem umzäunten Platz neben Eisenbahngleisen Zelte. Im Frühling haben sich hier ein paar Obdachlose niedergelassen. Inzwischen leben in dem Lager – geduldet von der Stadtregierung – 150 Menschen. Obdachlosigkeit, so ein Bericht der National Coalition for the Homeless, hat sich durch Hypothekenkrise und Zwangsversteigerungen verschärft.
Unter einem Baldachin sitzen heute zwei Dutzend Menschen auf blauen Heurigenbänken. Rauchend, plaudernd oder dösend. Ab und zu kommt jemand vorbei, um die Leute als Wähler für die Präsidentenwahl zu registrieren. Aber die meisten winken ab. „Wir sind seit elf Tagen hier“, erklärt mir Richard (55), ein arbeitsloser Automechaniker, „aber jemand hat uns die Sozialhilfeschecks gestohlen. Deswegen mussten wir ausziehen“. Richards Haare sind gepflegt, die Uhr ist golden und die Sonnenbrillen flott. Seiner Ehefrau Debbie (52) sieht man an, dass sie gesundheitliche Probleme hat. Sie geht am Stock und ihr fehlen oben alle Schneidezähne. Gut gelaunt ist sie dennoch: Hier könne man gut leben. Zwei Malzeiten gebe es am Tag. In der Mission nebenan dusche man. „Es ist sicher. Einmal hat einer gedroht, meinen Hund Buddy auf die Schienen zu werfen. Aber der Mann war verrückt. Er ist nicht mehr hier.“
Debbie führt mich zu ihrem Heim. Das niedrige Zwei-Mann Zelt steht so knapp an denen der Nachbarn, dass man nicht dazwischen gehen kann. „Die meisten wohnen hier, weil sie ihre Arztrechnungen nicht bezahlen konnten“, sagt Debbie, die Diabetikerin ist. „In den Spitälern bekommen wir gratis Pillen. Aber keine ärztliche Behandlung.“
Im Oktober wird das Lager geschlossen. Debbie und Richard überlegen, wohin sie dann gehen werden. „Wir haben uns für dieses neue Obdachlosenheim beworben, aber wir wissen nicht, ob die uns nehmen. Vielleicht geht es sich mit Sozialhilfe nächsten Monat aus, dass wir eine Zeit lang ins Motel ziehen.“